Eva Braun, der TikTok-Star
Eine blonde, strahlend lächelnde Frau im blauen Kleidchen hüpft fröhlich auf einer Blumenwiese herum, posiert mit einem Schäferhund, streichelt flauschige, weiße Kaninchen und lächelt in die Kamera – die Bilderserie ist untermalt mit langsamen, melancholischen Liedern von Lana Del Rey. Die Kommentare unter dem TikTok-Video: „Eva, danke, dass es dich gab!“, „die Schönste!“, „Damals waren Frauen noch Frauen!“
Die Frau auf den Videos ist keine Geringere als Eva Braun (später Eva Hitler), Geliebte und kurzzeitig Ehefrau des Nazi-Diktators Adolf Hitler. In hunderten Tik-Tok-Videos wird die Beziehung von Eva Braun und Adolf Hitler romantisiert, sie werden als „das perfekte tragische Paar“ gefeiert, Eva als das Sinnbild einer „perfekten Frau“, und Adolf Hitler wird als ihr treuer Begleiter glorifiziert.
Das Problem: Viele junge Nutzer:innen haben nur begrenztes Wissen über den historischen Kontext. Sie sehen alte Filmaufnahmen oder Fotos als „ästhetisch“ an, ohne sich mit den Verbrechen und der Ideologie dahinter auseinanderzusetzen. „Virale Inhalte auf TikTok hängen sehr oft mit einzelnen Persönlichkeiten und Figuren zusammen. Wir wissen, dass extremistische Inhalte oft von Einzelfiguren stammen, von wiederkehrenden Gesichtern, die die Jugendlichen direkt ansprechen, abholen und so ihr Vertrauen gewinnen. Es war für Extremisten noch nie so einfach, ihre Gesinnung zu verbreiten wie auf TikTok, weil sie extrem nahbar wirken“, sagt dazu die Journalistin Anna Jandrisevits zur WZ. Sie ist stellvertretende Chefredakteurin von die chefredaktion, ihre Arbeit findet seit Jahren vorrangig auf TikTok statt.
„Durch diese teils KI-generierten TikToks von Eva Braun oder Magda Goebbels sind plötzlich selbst verstorbene Persönlichkeiten, von denen Jugendliche nur im Geschichtsunterricht hören, nahbarer“, betont Jandrisevits.
„Das ist ein neues Phänomen, und ein gefährliches. Denn die TikToks verbreiten sich ohne Kontext: Figuren wie Eva Braun werden romantisiert, sie wirken sympathisch für Jugendliche – ihre entsetzlichen Biografien werden nicht erwähnt, teils sogar verzerrt dargestellt.“
Wer TikTok nutzt, weiß: Bestimmte Begriffe findet man in der Suchleiste der App nicht. So kann man beispielsweise nicht nach „Eva Braun“ suchen. Wenn man allerdings nach anderen Variationen des Namens sucht, wie etwa „Eva Brown“, „Evva Braun“ oder „Adolf Hittler“ , erhält man aber Ergebnisse. Da sind zum einen faktenbasierte Erklärvideos über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust. Problematischer sind die romantisierten Zusammenschnitte, in denen sich zum Beispiel auch Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels und seine Ehefrau Magda wiederfinden – und ebenfalls zu Held:innen und romantischen Vorbildern stilisiert werden. So wird Magda Goebbels als die „ideale Mutter“ gefeiert – die Ästhetik in den Videos geht in Richtung des........
© Wiener Zeitung
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