Ärzte in Gaza: „Es gibt jeden Tag nur schlechte Nachrichten“
„Erst heute gab es einen Luftangriff auf eines unserer Gesundheitszentren in Gaza Stadt, mit dutzenden Verletzten und Getöteten. Es fehlt an allem: An Medikamenten, an Treibstoff und vor allem an Nahrung – wir müssen alles rationieren, auf der Kinderstation im Nasser-Spital können wir nicht einmal mehr eine Mahlzeit pro Tag für die Kinder zur Verfügung stellen, wir sind ständig auf der Suche nach Alternativen“, erzählt Franz Luef, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen am Telefon. Er befindet sich momentan im Süden des Gazastreifens, wo er und sein Team humanitäre Hilfe leisten, unter anderem im Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis.
„Wenn man über Gaza spricht, ist die Rede von humanitärem Abgrund, von der Hölle – all das greift zu kurz. Mir fehlen einfach nur mehr die Worte, um das zu beschreiben, was hier vor sich geht“, so der Österreicher, der seit über 20 Jahren für Ärzte Ohne Grenzen im Einsatz ist. „Die Situation war schon die letzten 15 Monate über katastrophal, aber jetzt seit der Blockade sind wir echt verzweifelt. Wir arbeiten unter Raketen- und Bombenangriffen, aber solange wir noch die Menschen versorgen können, bleiben wir da. Aber die Zeit rennt uns davon“, so Luef.
Seit dem 2. März blockiert die israelische Regierung jegliche Hilfslieferungen in den Gazastreifen – die Blockade dauert schon über zwei Monate an. Fast 70 Prozent des Gazastreifens gelten laut der UN-Organisation OCHA inzwischen als Sperr- oder Evakuierungszonen – dort darf man sich also kaum noch frei bewegen. Seit Oktober 2023 sind laut der palästinensischen Gesundheitsbehörde mehr als 50.000 Menschen durch israelische Angriffe im Gazastreifen getötet worden. Die UN-Welternährungsorganisation (WFP) erklärte Ende April 2025, dass die Bevölkerung im Norden Gazas akut von Hungersnot betroffen ist. Israels Verteidigungsminister hat die Armee angewiesen, weitere Gebiete im Gazastreifen „permanent“ zu besetzen, sollten die Geiseln, die die Hamas bei dem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 gefangen genommen hat, nicht freikommen. Die israelische Regierung begründet die Blockade damit, dass die Hamas Hilfslieferungen abfange, um sie für militärische Zwecke zu nutzen oder auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Bei dem jüngsten Angriff auf eine Klinik im Gazastreifen am 13. Mai sind drei Menschen getötet worden. Israels Armee sagt, sie habe „gezielt wichtige Hamas-Terroristen“ angegriffen, die in einem Kommando- und Kontrollzentrum im Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis aktiv gewesen seien. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa sprach dagegen von einem „gezielten Angriff“ auf den palästinensischen Journalisten Hassan Eslaiah, der in der Klinik behandelt worden sei. Die Angaben beider Seiten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Auf dem immer kleiner werdenden Gebiet im Gazastreifen, das noch zugänglich ist, wird das Leid der Bevölkerung immer größer. Auch jene, die seit Monaten unermüdlich Hilfe leisten, sind längst am Rande ihrer Kapazitäten. Für palästinensische Einsatzkräfte ist das eine Doppelbelastung: Sie verlieren Familienmitglieder, ihre Häuser werden zerbombt – sie versuchen, sich gegenseitig aufzumuntern, wohl wissend, dass es morgen den nächsten treffen könnte.
„Explosionen und Schüsse sind allgegenwärtig – oft rennen wir in die ausgewiesenen Sicherheitsbereiche, manchmal bebt der Boden – das sind keine Bedingungen, um Leben zu retten. Wir sind extrem erschöpft. Niemand in Gaza weiß, ob er den morgigen Tag noch erleben wird. Die Situation für unsere Mitarbeiter:innen wird immer gefährlicher – vor allem seit der Blockade aller Hilfslieferungen seit März. Viele Familien, darunter auch aus unseren Teams, haben Eltern, Geschwister, oder andere Verwandte verloren, wir haben Kolleg:innen verloren, es gibt eigentlich nur mehr schlechte Nachrichten, und das jeden Tag“, erzählt Hisham Mhanna, Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuzes (IKRK). Er ist in Gaza stationiert und seit sechs Jahren für das IKRK tätig.
„Unser Feldspital in Rafah ist jetzt seit über einem Jahr im Notbetrieb, unsere........
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