Politik Backstage: Stresstest für Türkis-Rot-Pink
Die Regierungskommunikatoren hatten seit Wochen mit Hochdruck auf diesen Termin hingearbeitet: Diesen Mittwoch sollte die Angelobung des Kabinetts Stocker-Babler-Meinl-Reisinger am 3. März genau hundert Tage zurückliegen. In Einzelinterviews hatten der Kanzler und viele Minister ab Mitte Mai bereits erste persönliche Bilanz gezogen.
Am Tag vor dem 100-Tage-Jubiläum wollte die Regierungsspitze diese erste Zäsur mit einem gemeinsamen Mediengespräch zelebrieren – in Sparzeiten wie diesen ohne zusätzlichen Aufwand und Inszenierungs-Schnickschnack im Bundeskanzleramt, freilich aber mit einer Präsentationsunterlage, die vor Superlativen strotzte.
Gezählte 57 Vorhaben, die schon gesetzlich beschlossen oder gerade in der parlamentarischen Umsetzung sind, listet die erste Dreierkoalition auf. Zieht man wie in jedem anderen Beruf die arbeitsfreien Wochenenden von den ersten 100 Regierungstagen ab, dann haben die türkis-rot-pinken Minister praktisch beinahe jeden Tag politisch etwas Neues ins Laufen gebracht, so die intern ausgegebene Parole.
Allen voran werden breit bekannte Projekte wie das Doppelbudget 2025/26, der Mietpreisstopp in Altbauten, eine steuerfreie Mitarbeiterprämie und ein Handyverbot im Klassenzimmer genannt, aber auch weniger geläufige Maßnahmen wie ein „Made-in-Europe-Bonus“ für Photovoltaik-Anlagen und Stromspeicher oder ein Klimacheck für Gesetzesinitiativen – sowie einige Vorhaben, die noch in der Startphase sind wie die Einsetzung einer Wehrdienst-Kommission „zur Weiterentwicklung von Wehrdienst und Miliz“ (sprich Verlängerung von Wehrpflicht und/oder Milizübungen), die Erarbeitung einer Industriestrategie oder der Start der Task-Force zur Durchforstung von Förderungen.
Mit den ersten Eilmeldungen „Amoklauf in Grazer Schule“ Dienstagvormittag wurde rasch zur Gewissheit: Der für Dienstag, 12.30 Uhr geplante Medienauftritt der Regierungsspitzen muss – wohl ersatzlos – abgesagt werden. Stattdessen verständigten sich die drei Parteichefs binnen kurzem darauf, eine dreitägige Staatstrauer auszurufen.
Christian Stocker machte sich auf den Weg nach Graz und gab die Parole einer „nationalen Tragödie“ aus. Vor Ort fanden sich umgehend auch ÖVP-Innenminister Gerhard Karner, sein SPÖ-Staatsekretär Jörg Leichtfried und Neos-Bildungsminister Christoph Wiederkehr ein.
„In solchen dramatischen Minuten sieht und spürt man, wie es um den Zusammenhalt steht“, resümiert ein Regierungsstratege, „wir haben ohne lange Debatten den Schalter von Regierungsjubiläum auf Staatstrauer umgelegt. Alle Beteiligten........
© trend.
