Politik Backstage: Rüsten für „Rearm Europe“
Das schlagzeilenträchtige Zwillingspaar stand bereits seit Wochen auf der regierungsinternen Planungsliste. Die Top-Themen der Regierungssitzung in der zweiten Septemberwoche sollten primär türkis-schwarz beflaggt werden. Für diesen Mittwoch stand zum einen das Go für den Gesetzesentwurf für ein Kopftuchverbot bis 14 Jahren in Schulen auf dem Programm. Nach langem, vor allem juristisch schweren Ringen hofft ÖVP-Kanzleramtsministerin Claudia Plakolm, ein Paragraphenwerk ins Parlament zu bringen, das nicht neuerlich vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird.
Zudem sollte diesen Mittwoch ein zweites türkis-schwarzes Lieblingsvorhaben vom Stapel laufen: eine Reform der Sozialhilfe. Im politischen Kern zielt diese auf eine Kürzung von Geldleistungen für Asylwerber ab. Auslöser waren eine Handvoll medial spektakulärer Fälle, in denen vielköpfige Flüchtlingsfamilien auf eine monatliche staatliche Unterstützung von bis zu 9.000 Euro kamen. Eine Summe, die sich, auch angesichts von elf Kindern, nicht mehr kleinreden oder schönrechnen ließ.
Die Kompetenz für das Kopftuchverbot, das auf das politische Konto der ÖVP einzahlen soll, liegt mit Claudia Plakolm praktischerweise bei einer durch und durch türkisen ÖVP-Ministerin. Die Kompetenz für eine neue, restriktivere Rahmengesetzgebung bei der Sozialhilfe, die ebenfalls primär aufs ÖVP-Konto einzahlen soll, liegt mit Korinna Schumann freilich bei einer in der Wolle gefärbten roten Ministerin und strammen Gewerkschafterin.
Von Schumann kursieren just seit ihrem Aufstieg zur Ministerin immer mehr Videos von bis dahin weitgehend unbeachteten Brandreden als SPÖ-Bundesrätin gegen die ÖVP. Das Misstrauen beim Aufstieg zur Ministerin war so vom Start weg gegenseitig.
Dazu kommt: Für die praktische Umsetzung und einen strengeren Vollzug der Sozialhilfe braucht es nicht nur einen Konsens zwischen Türkis, Rot und Pink. Es braucht auch vorab den Goodwill aller neun, persönlich und politisch höchst unterschiedlich gestrickten Landeshauptleute – drei roter, fünf türkis-schwarzer und eines blauen.
Beim Kopftuchverbot wurde – wie bei drei politisch höchst diversen Partnern nicht weiter überraschend – lange um den Gesetzestext gerungen, zuletzt aber nur noch um Detailfragen. Das Vorhaben wurde diesen Mittwochvormittag mit verteilten Rollen und Argumentationsschwerpunkten aber artig konsensual präsentiert.
Hier geht es zur neuen Podcastfolge von Politik Backstage - erzählt von der KI-generierten Stimme von trend-Kolumnist Josef Votzi.
Das Vorhaben, zeitgleich auch künftige FPÖ-Turbo-Schlagzeilen wie „9.000 Euro Sozialhilfe im Monat für Syrer-Familie“ aus der Welt zu schaffen, musste zähneknirschend zu später Nachtstunde wenige Stunden vor dem Ministerrat auf Drängen der SPÖ von der Tagesordnung gestrichen werden.
Dabei handelte es sich beim Projekt „Sozialhilfe neu“ noch lange nicht um ein fertiges Gesetz, sondern um einen sogenannten Ministerratsvortrag. Neu war primär die schriftliche Absichtserklärung für rasche Verhandlungen mit den Ländern. Denn viele in der Regierung sehen Gefahr in Verzug, weil einige Landesfürsten in den letzten Wochen bereits mit Umbauplänen der Sozialhilfe in ihrem Bundesland vorgeprescht waren. Inhaltlich gab der geplante Ministerratsvortrag im Kern nur wieder, was bereits im Koalitionsabkommen festgeschrieben worden war.
Genau das wurde der SPÖ-Sozialministerin in einer Online-Story der........
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