Politik Backstage: „Babler im Siegesrausch“
So viele Journalisten, Mitarbeiter und Abgeordnete tummeln sich seit Jahren nicht in den Wandelgängen des Hohen Hauses wie diesen Mittwoch. Philip Kucher, SPÖ-Klub-Vize und einer der fünf roten Chefverhandler, ist, sobald er den Plenarsaal verlässt, von einer Traube von Medienvertretern umringt. Kucher war in den vergangenen Wochen gemeinsam mit ÖVP-Klubchef August Wöginger und Neos-Klubvize Nikolaus Scherak (der wie Kucher nun auch de jure zum Fraktionschef aufsteigen wird) für die Abklärung der vielen offenen Detailfragen im Koalitionsabkommen zuständig. Die drei alten und neuen Klubobleute werden auch künftig das Experiment der ersten Dreier-Koalition bei der Umsetzung im Parlamentsalltag am Laufen halten müssen.
Kucher ist ein besonders umgänglicher Politiker, hält sich aber so wie alle anderen Verhandler in der hochsensiblen Phase des Koalitionspoker-Finales weitgehend bedeckt. Erst als Beate Meinl-Reisinger um die Ecke biegt, nützt Kucher die Gelegenheit, sich nun doch aus dem medialen Stehballet abzusetzen. Die Neos-Chefin hatte mit einem Augenzwinkern den Wunsch geäußert, mit dem Neo-Koalitionspartner dringend etwas besprechen zu wollen.
150 Tage nach der Nationalratswahl herrscht mehr denn je aufgeregte Bienenstock-Atmosphäre in den Hallen des Hohen Hauses. Abgeordnete wie beispielsweise Selma Yildirim, die seit Tagen in vielen Zeitungen als Top-Kandidatin für das von der SPÖ beanspruchte Justizressort gehandelt wird, lässt wissen: „Mit mir hat bis jetzt niemand geredet.“ Und räumt offenherzig ein: „Ich würde das aber sofort und gerne machen.“
Auf der Gerüchtebörse wird Mitte der Woche aber vor allem der Name des künftigen Finanzministers als heißeste Aktie gehandelt. Ein hochrangiger Rathausmann lancierte via einigen Medien den seit Monaten als Babler-Aufpasser gehandelten Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke als angelobungsreif. Aus der Wiener SPÖ kam dann im Doppelpass die Bestätigung. Als Babler dies umgehend dementieren ließ, war das nächste Kapitel im SPÖ-Dauerdrama aufgeschlagen: der rote Dauerstreit, den der neue Parteichef vor bald zwei Jahren mit Feuereifer entfachte und den er bis heute nicht zu befrieden vermochte.
Stand Freitag früh gelang Babler zwar dieser Polit-Trick: Indem er Hanke zum Infrastrukturminister macht, versperrt er seinem potentiell schärfsten Konkurrenten, SPÖ-NÖ-Chef Sven Hergovich, den Weg ins Kabinett. Und sucht damit zugleich einen Keil zwischen Michael Ludwig (der massiv für Hanke als Minister Druck machte) und Doris Bures (die Hergovich massiv als Infrastrukturminister protegierte) zu treiben.
Das interne Haxelstellen beim Wiedereinzug in Regierungsämter nach sieben mageren Oppositionsjahren ist für rote Insider ein Fanal. „Wir schleppen diese innere Zerrissenheit mit in die Regierung“, sagt ein hochrangiger SPÖ-Mann. „Wer immer aller sich nun am Ende als Sieger oder Verlierer sieht, es bleiben neue offene Wunden zurück. Jeder Beteiligte muss bei nächster Gelegenheit mit Konterschlägen rechnen.“
Im Regierungsviertel geht nicht erst seit dem roten Hauen und Stechen das sarkastische Motto um: Das Bündnis aus ÖVP, SPÖ und Neos wird keine Dreier-Koalition, sondern ein Bündnis aus zumindest vier, wenn nicht einem Vielfachen mehr an Parteien und Partien.
Die SPÖ zeigt sich dieser Tage ungebrochen in zumindest drei Lager zerrissen: die........
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