„Politik Backstage“: Black Box Christian Stocker
In den Wochen davor hatten die schwarz-türkisen Kommunikationsregisseure im Regierungsviertel noch diese Devise ausgegeben: Die Kür von Christian Stocker zum Parteichef werde in mageren Zeiten wie diesen „bescheiden und nüchtern“ über die Bühne gehen. „Nüchternheit“ kann man dem Tagungsgelände Arena Nova, einem charmebefreiten und schnörkellosen Stahlbetonklotz am Rande von Wiener Neustadt, in der Tat nicht absprechen. Die Regisseure des Parteitags suchten am Ende doch mit einigem Aufwand dagegenzuhalten, um das Aufkommen von Tristesse zu verhindern. Schon beim Zugang zum eigentlichen Tagungsareal bot die ÖVP einiges auf, um sich als die tragende Staatspartei des Landes zu inszenieren.
Von den ÖVP-Nachkriegspionieren wie Leopold Figl aufwärts bis zum schwarzen „Mister EU“ Alois Mock säumten alle ÖVP-Chefs des vergangenen Jahrhunderts den Weg der 500 wahlberechtigten Parteitagsdelegierten und rund 1.500 Gäste. In der bei jedem Parteitag wichtigsten Arena, dem Areal für eine Kaffee- und Erfrischungspause, waren alle Parteichefs nach der Jahrtausendwende als lebensgroße Pappfiguren aufgestellt: Wer zwischendurch Lust hatte, konnte sich jederzeit gemeinsam mit Wolfgang Schüssel, Wilhelm Molterer, Josef Pröll, Michael Spindelegger, Reinhold Mitterlehner, Sebastian Kurz oder Karl Nehammer als Pappkameraden auf einem Selfie verewigen.
Die Parteitagsregisseure zelebrierten, dass bis auf Reinhold Mitterlehner sechs der sieben noch lebenden schwarz-türkisen Parteichefs gekommen waren, um den Wiener Neustädter Ex-Vizebürgermeister Christian Stocker als 19. ÖVP-Parteichef in der Geschichte der Zweiten Republik zu installieren. „Es war mutig, alle mit einzubinden“, sagt ein Parteikenner, „das ist bei der ÖVP nie ganz risikolos, aber gut gelungen. Die Volkspartei hat sich als entschlossen und geschlossen präsentiert.“
Das demonstrative Bemühen, ein Bild der Geschlossenheit zu bieten, wurde diesmal auch nicht hinter den Kulissen nachhaltig konterkariert. Da und dort kommt unter vier Augen zwar nach wie vor Bedauern auf, dass die Schwarz-Türkisen nicht mit den Blauen als „besser zu uns passendem Koalitionspartner“ ins Geschäft gekommen sind. Die Tränen ob der blauen Braut Herbert Kickl, die sich am Ende doch nicht traut, vertrocknen vorerst.
Dominiert werden viele Pausengespräche vom sich verfestigenden Glauben: Der neue Regierungs- und Parteichef könnte sich bald über die Partei hinaus als weitaus mehr als eine Verlegenheitslösung entpuppen.
Ein ÖVP-Spitzenpolitiker, der in der noch halbwegs großen Koalition zwischen SPÖ und ÖVP in den 1980er- und 1990er-Jahren eine tragende Rolle spielte, räsoniert: „Wo hat sich der Christian Stocker denn all die letzten Jahre versteckt? Ich kannte ihn bis vor Kurzem so wie viele andere nicht. Wenn er so ist wie sein Vater, dann ist er genau der richtige Mann für diese Zeit.“
Der heute 91-jährige gelernte Elektroinstallateur Franz Stocker machte sich ab den 1960er-Jahren als christlichsozialer Betriebsratschef beim niederösterreichischen Energieversorger Newag (heute EVN), ÖGB-Funktionär und langjähriger Nationalratsabgeordneter einen Namen. Nach innen hin verbindlich und erfolgreich lösungsorientiert, nach außen hin nüchtern und unspektakulär.
„Er war als Arbeitnehmervertreter, der sowohl das Soziale........
© trend.
