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Deutschland-Wahl: „Uns fehlen die echten Leader“

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23.02.2025

Sie sehen eine Zeitenwende in Deutschland, die den Grundkonsens der liberalen Wertegemeinschaft in Gefahr bringt. Weil die AfD höchstwahrscheinlich die zweitstärkste Kraft wird?

Ja, es passiert jetzt Ähnliches, wie wir es aus Österreich schon kennen. Das Erstarken der extrem populistischen Parteien – insbesondere der AfD, aber auch auf der linken Seite – wird das ehemals sehr stabile System Deutschland endgültig fragmentieren. Man kann davon ausgehen, dass die CDU mit Friedrich Merz den Kanzler stellen wird. Wenn sich eine Koalition mit der SPD allein nicht ausgeht, käme es wohl zu einer Dreierkonstellation, wie sie zuletzt schon nicht funktioniert hat. In jedem Fall kommt wieder eine Politik der Kompromisse heraus, die auch als solche wahrgenommen wird und die Ränder rechts und links weiter stärkt.

Klingt nicht sehr zuversichtlich …

Der Punkt ist, ob jemand wie Friedrich Merz ein Political Leader sein kann, der dringend notwendige transformatorische Ideen durchbringt. Ich wage das zu bezweifeln. Selbst wenn er es wirklich will, könnte es die Konstellation einfach nicht zulassen. Und das wäre für Deutschland in einem Moment, wo das Land dringend Veränderung auf vielen Ebenen braucht, fatal.

Andreas Bierwirth, geb. 1971 im deutschen Lünen, war Manager bei der Lufthansa und saß von 2008 bis 2012 im Vorstand der AUA. Anschließend war der Betriebswirt zehn Jahre lang Chef des Mobilfunkers T-Mobile Austria. Er lebt in Wien.

Sollen rechte Parteien stattdessen mal in eine Regierung und sich beweisen?

Wir haben diese Situation in Italien, in Österreich wäre es mit der FPÖ beinahe dazu gekommen. Man muss schon darüber nachdenken, ob die kategorische Ausgrenzung, wie wir sie auch durchaus nachvollziehbar hatten, nicht zu einer kompletten Spaltung in einem Land führt. Wie kompetent diese Parteien dann in einer Regierung sind, sei einmal dahingestellt. Aber ich glaube, dass ihre faktische Stärke irgendwann gar nichts anderes mehr zulässt, als sie in Zukunft irgendwie einzubinden. Und dann wird man sehen, ob das, was die Rechtspopulisten zur Positionierung auf dem Wählermarkt kommunizieren, auch das ist, was letztlich real passiert. Frau Meloni in Italien ist gegenüber Europa loyal.

Ist es nicht riskant, zu hoffen, dass es nicht so schlimm kommt wie befürchtet?

Nehmen Sie das Thema EU. Es liegt auf der Hand, dass Europa im Wirtschaftskrieg der USA und Chinas nur gemeinsam bestehen kann. Dieses Faktum kann niemand, der den Bürgern verspricht, dass es ihnen besser gehen wird, ignorieren – ganz gleich, was er kommuniziert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Partei ein Programm nach dem Motto fährt: Wir ziehen uns auf das Nationale zurück, lassen damit die Wirtschaft schrumpfen und werden ärmer. So würde man auch die Radikalen schnell wieder abwählen. Ich glaube an eine gewisse Selbstregulierung. Parteien wie die AfD und die FPÖ werden in erster Linie gewählt, weil sie gegen alles sind. Und das können sie nur, solange sie keine Verantwortung übernehmen müssen.

Die AfD propagiert einen Austritt aus EU und Euro. Sollten nicht die meisten Menschen wissen, dass sie das Wohlstand kosten würde?

Ich weiß........

© trend.