»Wir werden hier beschützt«
Michael Fürsts Büro ist nicht nur eine klassische Kanzlei: Es ist auch ein bisschen Galerie, Bibliothek, ein Ort mit vielen Erinnerungen. Fürst mit dem Großen Verdienstkreuz des Landes Niedersachsen als Foto, Urkunden – darunter die als Botschafter für Demokratie und Toleranz mit Yazid Shammout, dem Vorsitzenden der Palästinensischen Gemeinde, eine große Chanukkia und viele Familienbilder. Seit 1980 ist Michael Fürst, der in Hannover geboren wurde und als Fachanwalt für Medizinrecht arbeitet, Präsident des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. Viele Jahre war er Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde. Anfang Mai gab er den Vorsitz auf, ist aber weiterhin Repräsentant. Kürzlich hieß es, er wolle auch seinen Vorsitz im Landesverband aufgeben. Daher die Frage:
Herr Fürst, Sie hören auf – warum?
Nein, das stimmt ja so gar nicht. In irgendeinem dieser üblichen Gespräche mit Journalisten habe ich mal geäußert, dass ich auch mal ans Aufhören denken muss. Auch, wenn alle nicht wollen, dass ich aufhöre. Aber irgendwann muss man einfach. Und meine Entscheidung war, dass ich mit dem Gemeindevorsitz aufhöre. Ich möchte mich nicht mehr mit diesem ganzen Kleinkram, mit Wasserhähnen und Mietern und Reparaturen befassen. Das ist nicht mehr mein Ding, das sollen Jüngere machen oder Leute, die das bisher noch nicht gemacht haben. Da kommen vielleicht neue Ideen – im Lauf der Jahrzehnte nutzt man sich auch ab. Außerdem war die Kulturarbeit in der Gemeinde nie mein Ding. Die Verbandsarbeit, die politische Arbeit, die Arbeit mit den Polizeibehörden, Gewerkschaften, den Kirchen und Islamverbänden, dem Innenminister, dem Kultusminister, dem Ministerpräsidenten; die war immer das, was ich gewollt und gemacht habe. Und die mache ich noch weiter. Bis 2027 bin ich gewählt, aber da werde ich ja erst 80. Dann sehen wir weiter, so Gott will. Aber bis ans Lebensende werde ich ganz sicher nicht bleiben.
Ist Ihnen die Abgabe des Gemeindevorsitzes schwer- oder leichtgefallen?
Die Gemeinde habe ich eigentlich sehr spät erst hinzubekommen, weil der damalige Vorsitzende 2007 ausscheiden musste. Das ist jetzt fast 20 Jahre her. Leicht ist es mir wahrlich nicht gefallen, weil ich als das älteste Gemeindemitglied natürlich eine Verantwortung für die Gemeinde sehe.
Das ist schon eine lange Zeit …
Ja, und auch wieder nicht. Sehen Sie, ich bin ja nun Hannoveraner durch und durch. Meine damalige Freundin Gabi Giske und ich waren die ersten hier geborenen jüdischen Kinder, und 1970 haben wir in der neuen Synagoge geheiratet. Das war natürlich etwas Besonderes. Mein Vater ist schon hier geboren, ich war mit Ausnahme des Studiums, der Referendarzeit und natürlich auch meiner zweijährigen Bundeswehrzeit immer hier – Vollblut-Hannoveraner mit allem, was dazugehört. Ich habe gerade mit meinem Bruder telefoniert, und wir haben beide festgestellt, dass wir im kommenden Jahr 70 Jahre Mitglieder bei Hannover 96 sind.
Sie waren 18 Jahre lang Gemeindevorsitzender. Was mögen Sie an Ihrer Gemeinde?
Was ich an der Gemeinde mochte, das war der Zusammenhalt – und ich glaube aber, das gilt für alle, die in meinem Alter und hier in Deutschland groß geworden sind. Man kannte........
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