Das Phantom der „Mitte“
Stand: 04.02.2025, 14:49 Uhr
Von: Stephan Hebel
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Wenige Tage nach den grauenvollen Vorstößen der Union beschwören die demokratischen Parteien wieder die Macht der Mitte herauf. Aber welchen Wert hat diese überhaupt noch?
Bundestagsprotokolle gehören nicht zur Lieblingslektüre der Deutschen, Medienschaffende eingeschlossen. Aber manchmal werden sie, kaum geschrieben, zu historischen Dokumenten.
Zum Beispiel die Niederschrift der Bundestagssitzung vom 29. Januar 2025. Das war der Tag, an dem das Parlament mittags der Befreiung des Nazi-Konzentrationslagers Auschwitz gedachte und nachmittags einen Entschließungsantrag zur endgültigen Zertrümmerung des Rechts auf Asyl verabschiedete, dem die extreme Rechte zur Mehrheit verhalf – zum ersten Mal in der bundesdeutschen Geschichte.
Es war ein Schicksalstag, da hatte der Grüne Robert Habeck recht. Ein weiterer folgte 48 Stunden später, als CDU und CSU nur knapp mit dem Versuch scheiterten, sogar ein Gesetz mit der AfD durchzubringen. Ein Gesetz, das schon im Titel das Schicksal flüchtender Menschen hinter dem hässlichen Wort „Zustrom“ verbarg.
An jenem 29. Januar wurde dutzendfach ein Phantom beschworen, das fast alle demokratischen Parteien für einen realen Ort in der politischen Landschaft halten: die Mitte. Ja, ein Phantom, denn vieles spricht dafür, dass es für die Demokratie besser wäre, sich........
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