menu_open Columnists
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close

„Mein Körper ist nicht das Problem, die Gesellschaft ist es“

3 0
04.05.2025

Was bedeutet es für dich, als mehrgewichtige, homosexuelle Frau auf der Bühne zu stehen?

Es fühlt sich genauso an wie im Alltag: Sobald du sichtbar wirst – als Aktivistin, als fett gelesene, queere Person –, bekommst du mehr Kritik. Es geht oft nicht um das, was ich tue, sondern darum, wie ich aussehe oder welche Identität ich habe. Das begleitet mich immer.

In „14000 Kilo – Ein Abnehmkampf frei nach Moby Dick“ arbeitet das Ensemble mit Moby Dick als Metapher für den Kampf mit dem eigenen Körper. Wie hast du dich in dieser Geschichte wiedergefunden?

Während der Stückentwicklung haben wir – alle mehrgewichtig, inklusive Regisseurin Maria Sendlhofer – viel über unsere Erfahrungen gesprochen. Dabei wurde schnell klar: Unsere Geschichten ähneln sich sehr. Was sich oft wie ein individuelles Scheitern anfühlt, ist in Wirklichkeit Teil einer gesellschaftlichen Struktur.

Welche Struktur meinst du genau?

Das Patriarchat, White Supremacy-Systeme, die Körper hierarchisieren. Bestimmte Körper, vor allem dünne, weiße, werden bevorzugt. Schönheit wird westlich, binär und sehr eng definiert: Eine Frau ist „fett“, ein Mann „stattlich“. Diese Normen prägen unser Denken – bewusst oder unbewusst.

Wie fühlt es sich an, mit einem Ensemble zu arbeiten, in dem Mehrgewicht Normalität ist?

Befreiend. Natürlich tragen wir alle die gesellschaftlichen Normen in uns – sie sind schwer abzulegen. Aber die gemeinsame Erfahrung schafft ein Grundverständnis. Wir müssen uns nicht ständig erklären oder rechtfertigen. Es tut gut, dieses Grunderleben zu teilen: Geschichten von Anstarren, Beleidigungen, Alltagsverletzungen – und dabei verstanden zu werden.

Ist euer Stück eher Kampfansage oder Einladung zum Umdenken?

Für mich ist es eine Einladung zum Umdenken. Schon die Tatsache, dass ausschließlich mehrgewichtige Menschen auf der Bühne stehen, verändert Sehgewohnheiten. Gerade im Tanzbereich, wo Körper extrem normiert sind, ist das ein wichtiger Impuls. Ich komme ja aus dem Tanz.

Der Newsletter mit den guten Nachrichten: Kleine Geschichten über Fortschritte und Erfolg.

Welche Rolle spielt Mehrgewicht im klassischen Theater oder Film?

Leider immer noch die stereotype Rolle: die lustige Dicke, die schlaue Dicke oder die überraschend nette. Mehrgewicht wird dramaturgisch erklärt – als wäre ein dicker Körper allein nicht erzählenswert. Ich wünsche mir, dass mehrgewichtige Körper einfach selbstverständlich vorkommen, ohne Narrative drumherum.

Wäre demnach Body Neutrality – also die neutrale Wahrnehmung des Körpers – ein realistisches Ziel?

Noch nicht. Body Neutrality setzt voraus, dass wir Strukturen wie das Patriarchat bereits überwunden haben. Mein Ansatz ist Fat Acceptance: Akzeptanz und Respekt für alle Körper, unabhängig von Normen. Erst........

© Wiener Zeitung