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Warum uns CBS kein Interview geben konnte

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30.04.2025

Eigentlich sollte dieser Text eine aktuelle Stimmungslage widerspiegeln. Nämlich wie Journalist:innen beim US-TV-Sender CBS mit der Klage umgehen, die Donald Trump gegen ihren Mutterkonzern Paramount angestrengt hat. Immerhin geht es um zehn Milliarden Dollar – ein massiver Angriff, der direkte Auswirkungen auf die Redaktion, die Berichterstattung oder sogar auf die Einladungspolitik des TV-Senders haben könnte. Grund für die Klage war ein Interview während des Wahlkampfs mit der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris in der Sendung „60 Minutes“, das Trump als irreführend bezeichnete.

Doch wer bei CBS nachfragt, stößt auf eine Mauer des Schweigens. Keine Stellungnahmen, keine Interviews, nicht einmal informelle Gespräche. „Wir dürfen nichts sagen“, heißt es. Warum, bleibt offen – aus juristischer Vorsicht, aus Angst oder weil die Strategie inzwischen darin besteht, keine Angriffsfläche mehr zu bieten.

CBS ist kein Einzelfall. Vielmehr steht der TV-Sender exemplarisch für eine tiefgreifende Veränderung in den USA: eine systematische Verdrängung kritischer Berichterstattung durch juristischen Druck, strukturelle Einschränkungen und ein Klima der Einschüchterung.

„Die Angst sitzt tief – so etwas habe ich in 30 Jahren USA noch nie erlebt“, sagt der Journalist Arndt Peltner, der in Kalifornien lebt und unter anderem für den Deutschlandfunk und die WZ arbeitet. Die Atmosphäre sei geprägt von Unsicherheit und Selbstzensur. „Ich habe mit Professoren gesprochen, die sich weigern, Interviews zu geben – aus Angst, auf schwarzen Listen zu landen. Und Journalist:innen bekommen von ihren Arbeitgeber:innen E-Mails mit dem Hinweis: Kein Kommentar, keine Auskunft, nicht einmal off the record.“

Diese Stille ist kein Zufall. „CBS wurde bereits verklagt“, erklärt Peltner gegenüber der WZ. „Die Strategie lautet: Keine Angriffsfläche bieten.“ Auch andere Medienhäuser handeln vorsichtig – nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst vor Prozessen, politischen Repressalien oder öffentlicher Hetze.

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Ein Insider aus New York City, der anonym bleiben möchte, bestätigt im WZ-Gespräch: „In den USA ist derzeit jeder extrem empfindlich, wenn es um Trump geht. Viele wollen einfach, dass mögliche Probleme verschwinden, man einigt sich außergerichtlich. Viele sind mit dieser Praxis nicht einverstanden – also dem Nachgeben gegenüber Trumps Forderungen –, aber die Situation ist im Moment einfach unübersichtlich und angespannt.“

Neben juristischem Druck verändert die Regierung selbst die Spielregeln. Wie aus einem Bericht der APA vom 16. April hervorgeht, hat das Weiße Haus den privilegierten Zugang für Nachrichtenagenturen wie AP, Reuters und Bloomberg News aufgehoben. Der fest zugeordnete Platz im „White House Press Pool“ – dem Kernteam von Journalist:innen, das den Präsidenten auf Reisen oder Pressekonferenzen begleitet – entfällt. Stattdessen sollen Agenturen künftig rotieren. Das Präsidialamt unter Trump entscheidet täglich neu, wer Zugang erhält. Ein Willkürakt? Um einmal mehr Druck auf Medien ausüben zu können? Mit der Zusammensetzung dieses Kreises hat Trump schließlich Einfluss darauf, wer ihm Fragen stellen und direkt über seine Aussagen berichten........

© Wiener Zeitung