Leben auf der Organ-Warteliste: Wie gerecht ist das System?
Andreas Mathies’ Nieren funktionierten nicht mehr. Doch er musste drei Jahre auf ein passendes Organ für eine Transplantation warten – in der Zwischenzeit war er auf Heim-Hämodialyse, also eine Blutwäsche, angewiesen. Heute arbeitet der gebürtige Vorarlberger als Anästhesiepflegefachperson und ist Präsident der ARGE Niere Österreich. Das Thema Transplantation begleitet ihn täglich – medizinisch, organisatorisch, politisch.
Ein Investigativprojekt von Frontal, Spiegel und Deutscher Welle deckte im April auf: Über Telegram werden Nieren in Kenia vermittelt – Patient:innen könnten sich dort gegen Geld illegal eine Niere transplantieren lassen. Doch Kenia ist nicht das einzige Land mit verbotenen Organhandelstrukturen – es ist längst Teil eines globalen Schattenmarkts.
Doch wie steht Österreich beim Thema Transplantation und Transplantationstourismus da?
„Transplantattourismus ist ein absolutes No-Go“, sagt Mathies mit Nachdruck zur WZ, „für mich kam das nie infrage – es ist absolut unmoralisch.“ Dass sich dennoch immer mehr Europäer:innen in Ländern wie Kenia oder Bangladesch gegen Geld ein Organ beschaffen, hält er für „abstoßend und mehr als strafbar“.
Österreich gilt als stabiler Player in Europa. Die Wartezeit auf eine Niere liegt im Schnitt bei 3,5 Jahren nach der ersten Dialyse bzw. bei rund 16 Monaten nach Aufnahme auf die Warteliste. Doch hinter dieser Zahl verbirgt sich ein komplexes, klar definiertes und medizinisch gewichtetes Auswahlverfahren. Die Vergabe erfolgt nicht bloß nach Wartezeit, sondern basiert auf zahlreichen Kriterien: dem Immunstatus (vPRA, siehe Daten und Fakten), der Gewebe-Kompatibilität, der Wartezeit, der geografischen Fairness, der Dringlichkeit – etwa bei Hochdringlichkeitsfällen (HU) – sowie dem Alter der Patient:innen und möglichen Bonuspunkten, die man erhält, wenn man beispielsweise selbst schon ein Organ gespendet hat.
Gesteuert wird das System von Eurotransplant, einer multinationalen Organisation, die Organe nach einem ausgeklügelten Punktesystem zuteilt. „Es gibt keine lineare Liste“, betont Rainer Oberbauer, Abteilungsleiter für Nephrologie und Dialyse an der MedUni Wien im Gespräch mit der WZ. „Der Algorithmus ermittelt das bestmögliche Match – auch über Landesgrenzen hinweg.“
Allerdings zeigt der aktuelle Jahresbericht der ÖBIG-Transplant eine andere Schwachstelle im System: Zwar wurden 2024 österreichweit 311 potenzielle........
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