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Wiener SS-Mann war einst Trumpf des Mossad

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27.01.2025

Nach dem siegreichen Krieg gegen die arabischen Nachbarn 1948 sah sich Israel weiterhin von vielen Seiten in seiner Existenz bedroht und schreckte nicht davor zurück, einen Pakt mit den Nationalsozialisten zu schließen: In seinem Buch „Fugitives. A History of Nazi Mercenaries during the Cold War“ beschreibt der israelische Historiker und Professor an der Hebrew University of Jerusalem, Danny Orbach, wie der Mossad gezielt ehemalige hochrangige Nazis angeworben hat. Das fundiert recherchierte Buch, das sich auf zahllose Akten aus verschiedenen Geheimdienst-Archiven stützt, enthält detaillierte Geschichten, die an Wahnwitz nicht zu überbieten sind.

Nationalsozialisten – darunter glühende Verehrer des „Führers“ Adolf Hitler und überzeugte Antisemiten – kooperierten mit Israel, weil sie nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs mit dem Rücken zur Wand standen. Verfemt, als Kriegsverbrecher gesucht und ohne jede Perspektive waren die meisten bereit, sich jedem anzudienen, der für ihr militärisches Knowhow und Wissen über arabische Länder zahlte und für ihren Schutz sorgte.

Der wichtigste Mann für Israel in diesem Zusammenhang war ein Österreicher: der ehemalige SS-Obersturmbannführer und Liebling Hitlers, Otto Skorzeny. Orbach beschreibt in seinem Buch, wie Skorzeny dem Mossad 1963 aus einer veritablen Krise half.

Israel war Anfang der 60er-Jahre mit einem Raketenprogramm seines damaligen Erzfeindes Ägypten konfrontiert, von dem man nicht wusste, ob es nicht die mögliche totale Vernichtung für den jüdischen Staat darstellt. Ägyptens Präsident Gamal Nasser präsentierte 1962 diese Raketen stolz in einer Militärparade und erklärte, dass diese jeden Punkt in Israel erreichen könnten. Israels Geheimdienst fing zudem einen Brief ab, in dem ein deutscher Raketenbauer von 900 Raketen sprach, die demnächst in ägyptischen Arsenalen stehen sollten. Damit konnte Israel dem Erdboden gleichgemacht werden. Der Mossad geriet in Panik.

Die Israelis wussten, dass es deutsche Wissenschaftler waren, die in Ägypten an dem Raketenprogramm arbeiteten. Experten, die seinerzeit an den „Vergeltungswaffen“ der Nazis mitgebaut hatten, den von der Goebbels-Propaganda gehypten V1- und V2-Raketen, mit denen Hitler zu Kriegsende London beschießen ließ, die aber den Kriegsverlauf nicht mehr ändern konnten.

Nach Ansicht des Mossad hatten sich 1962 die „alten“ Nazis – Deutsche – und die „neuen“ Nazis – die Ägypter – verbündet, um Israel zu vernichten und einen zweiten Holocaust zu begehen. Es mussten also aus Sicht des Mossad schleunigst verlässliche Informationen über Existenz und Ausmaß der Bedrohung her, doch hatte Israel zu der Zeit keinen Agenten innerhalb des ägyptischen Militärs, der diese Informationen liefern konnte.

Dafür, dass nichts nach außen drang, sorgte damals der ehemalige SS-Unteroffizier Hermann Vallentin als Sicherheitsbeauftragter des ägyptischen Raketenprogramms. Ihn wollte man rekrutieren, an ihn musste der Mossad herankommen. Die Frage war, wie. Immerhin wusste der Mossad, dass Otto Skorzeny im Zweiten Weltkrieg Vallentins Kommandant war. Skorzeny war ein Wiener SS-Obersturmbannführer, TU-Absolvent, Mitglied einer schlagenden Burschenschaft, hünenhaft und für riskante Kommandoaktionen bekannt. So befreite er 1943 den italienischen Diktator und Verbündeten Nazi-Deutschlands, Benito Mussolini, der zuvor gestürzt und auf dem Berg Gran Sasso festgehalten worden war. Hitler war damals........

© Wiener Zeitung