Männernorm: Warum Frauen in medizinischen Studien oft fehlen
Da stellt sich gleich die Frage zur Gendergerechtigkeit in der Medizin: Sind Frauen und Männer in Ihrem Beruf heutzutage überhaupt gleichberechtigt?
Die Medizin ist immer noch sehr patriarchisch strukturiert, man sieht diese sogenannte „leaky pipeline“ nach wie vor. Obwohl mehr Frauen das Medizinstudium abschließen, dünnt sich ihr Anteil, je höher hinauf es geht, aus. Und ich erlebe immer wieder, dass Frauen es schwerer haben, sich durchzusetzen. Sich darauf zu verlassen, dass die eigene Leistung anerkannt wird, reicht nicht, man muss laut sein. Ich habe gerade in höheren Gremien schon auch den Eindruck, dass Männer manchmal lieber noch unter sich wären. Wenn da zehn Männer und zwei Frauen sind, hat man das Gefühl, dass Männer eher einem anderen Mann zuhören und bei Frauen dazu neigen, darüber hinwegzugehen oder es nicht so ernst zu nehmen. Wenn dagegen ein Mann den größten Blödsinn sagt, bekommt er trotzdem Bestätigung, sie halten mehr zusammen. Das gilt national wie international.
Was kann man dagegen tun?
Hier an der Meduni Wien gibt es viele Frauenförderprogramme. Es braucht aber immer noch Zeit und noch mehr Frauen, die sich auch für höhere Positionen bewerben. Denn oft hat man für Spitzenposten zehn Bewerber, davon eine Frau und dann ist die halt manchmal wirklich nicht die Bestqualifizierte. Die kann man dann auch nicht nehmen, nur weil sie eine Frau ist.
Sie sind über Ihre Forschung zum Schwangerschaftsdiabetes zur Gendermedizin gekommen. Gibt es abseits der geschlechtsspezifischen Erkrankungen typische Frauen- und Männerkrankheiten? Oder sind es vor allem Unterschiede in der Ausprägung von Krankheiten, die in der Gendermedizin bisher entdeckt wurden?
Beides. Einerseits gibt es natürlich die geschlechtsspezifischen Erkrankungen etwa der Geschlechtsorgane, also bei Frauen etwa Endometriose oder Menstruationsbeschwerden, beim Mann erektile Dysfunktion oder Prostatakrebs. Dann gibt es Krankheiten, die beide betreffen, aber ein Geschlecht überproportional – da ist das jeweils andere Geschlecht benachteiligt, weil man es später und seltener erkennt.
Welche Krankheiten sind das zum Beispiel?
Das ist etwa Brustkrebs, den auch Männer bekommen können. Oder Depressionen, die bei Frauen öfter diagnostiziert werden, während Männer sich öfter suizidieren, weil sie andere Symptome haben und die Erkrankung daher oft nicht erkannt wird. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind bei beiden Geschlechtern die Haupttodesursache, Männer haben aber öfter im mittleren Alter Herzinfarkte und Schlaganfälle, Frauen sind viel später betroffen. Autoimmunerkrankungen haben primär Frauen. Parkinson, ADHS und Autismus andererseits haben mehr Männer, ebenso wie Suchtkrankheiten. Bei schmerzassoziierten Krankheiten ist die Gicht die........
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