Österreichische Fußballer in Saudi-Arabien
Ein Satz fällt bei dieser Recherche ständig: „Ich muss aufpassen, was ich sage – wir sind hier in einem Kontrollstaat.“ Diese Geschichte handelt von Österreichern, die ihr Glück im neuen Kicker-Mekka Saudi-Arabien versuchen. Dem Königreich und Schurkenstaat, in dem Regimekritiker verschwinden, wo gefoltert und hingerichtet wird. Für Fußballer aber wurde der Wüstenstaat zum Schlaraffenland. Der Brasilianer Neymar wurde vor zwei Jahren auf einem goldenen Thron eingeflogen. Cristiano Ronaldo kassiert 200 Millionen Dollar pro Jahr. Die Gehälter im Wüstenstaat seien drei- bis viermal so hoch wie in Europa, heißt es in der Branche. Das lockt auch Österreicher an. Vor wenigen Wochen erst wechselte der Ex-Rapidler Thomas Murg zu Al-Khaleej in die Saudi Professional League.
Der saudische Machthaber Mohammed bin Salman verfolgt einen Masterplan: Das Königreich soll vom brutalen Regime zu einem modernen Hotspot avancieren – und weltweit an Einfluss gewinnen. Sportstars sollen dabei fleißig mithelfen. 2034 findet hier die FIFA-Weltmeisterschaft statt. Ronaldo, der auf Instagram 649 Millionen Follower zählt – und dort mit Scheichs oder im Trikot seines Klubs Al-Nassr zu sehen ist –, wurde zum wichtigsten Werbebotschafter. In Europa ernten die Kicker Kritik. Sie würden dazu beitragen, einen Brutalo-Staat reinzuwaschen, heißt es.
Die WZ hat mit Österreichern gesprochen, die Teil der saudi-arabischen Fußballwelt wurden. Was treibt die Männer an? Zählen für sie Moneten mehr als Menschenrechte? Oder ist es gar nicht so einfach, wie es scheint?
Der Wiener Tormann Christopher Knett spielt seit wenigen Wochen für den saudischen Zweitliga-Club Al Arabi. Knett, 34 Jahre, 1,88 Meter groß, bullige Statur, blond, tätowiert, hat sich gut eingelebt. Er wohnt in einem Haus mit Swimmingpool – während des Gesprächs tollen seine beiden Kinder im Hintergrund umher. Es sei hier „viel westlicher und offener“ als bei seiner letzten Station, erzählt er. Drei Jahre spielte der Wiener in der islamischen Republik Iran – inklusive einiger Einschränkungen. Seine Frau musste Kopftuch tragen, durfte nicht ins Stadion und auch nicht mit ihren beiden Söhnen ins Schwimmbad. In Saudi-Arabien, sagt er, dürfe sie nun alles.
Das ist die Botschaft, die der junge Kronprinz Mohammed bin Salman in die Welt senden will. Frauen sind nicht mehr verpflichtet, sich zu verschleiern; seit 2018 dürfen sie Auto fahren und Sportevents von Männern besuchen. Es gibt weibliche Fußballteams, viele ausländische Tourist:innen, peppige Einkaufsmalls und jede Menge Trallala. Doch die Menschenrechtslage habe sich laut Organisationen wie Amnesty International nicht verbessert. Regimekritische Stimmen werden unterdrückt und verfolgt. Hinter der Bling-Bling-Reformfassade nahm die Zahl der Hinrichtungen in den letzten Jahren sogar zu. 2024 wurden laut Amnesty 198 Menschen hingerichtet – siebenmal so viele wie noch 2020. Im Iran waren es im vergangenen Jahr laut UN mindestens 900.
Machen sich Fußballer, die im Königreich Saudi-Arabien gutes Geld verdienen, mitschuldig an solchen Gräueltaten? „Ich verurteile niemanden, der aufs Geld schaut“, sagt Tormann Knett. „Jeder Fußballer hat ein Ablaufdatum, keiner kann bis 65 spielen. Und in dieser Zeit müssen wir so viel Geld verdienen wie möglich.“ Knett war in Österreich keine große Nummer. Er spielte für Austria Lustenau, den FC Wacker – und verdiente dabei nicht besser als ein Buchhalter. 2021 rief ihn sein Berater an und schlug ihm den Sepahan FC in der iranischen Persian Gulf Pro League vor. Seine Frau warf die Internet-Suchmaschine an – und war erschrocken. Im Land gilt die Scharia, das islamische Recht. Frauen gelten als Menschen zweiter Klasse. Männer dürfen nur in langen Hosen auf die Straße. Auch seine Mutter war besorgt. Dann sah Knett den Vertrag. „Der Verdienst war außergewöhnlich gut“, sagt er, „das verdient man in Österreich nicht so leicht.“ Er stieg ins Flugzeug – und holte drei Wochen später seine Familie nach. „Man liest viel in Europa“,........
© Wiener Zeitung
