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Zu Besuch in einem russischen Exilmedium

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11.03.2025

Einen Sprung raus aus Amsterdam, weg von den holländischen Kanälen und schmalen Ziegelsteinhäusern, stehen nur leblose, graue Gebäude. Kaum ein:e Fahrradfahrer:in tritt hier in die Pedale, nur wenige Autos kommen vorbei. Mitten in einem kleinen Industrie-Dschungel hat die Moscow Times ihr neues Zuhause gefunden. Wo genau? Das muss aus Sicherheitsgründen ein Geheimnis bleiben.

Alexander Gubsky kommt die Treppe herunter, ein Russe mit kurzem, dunklen Haar und eckiger Brille. „Okay, komm hoch“, sagt er mit strengem Blick. Er hat nicht viel Zeit, Februar ist hier stressiger als die anderen Monate.

Der 56-jährige Herausgeber der Moscow Times ist in Moskau geboren und hat dort Journalismus studiert. Gubsky ist belesen, im Gespräch bezieht er sich häufig auf Beispiele aus der Geschichte. Sein Interesse für Kunst zeigt sich an den aufgehängten Bildern im Büro.

Gegründet wurde seine Zeitung 1992 als englischsprachiges Blatt für Expats und andere internationale Einwohner:innen Russlands von dem niederländischen Unternehmer Derk Sauer. Seit 2020 werden auch Nachrichten auf Russisch publiziert.

Mit dem Überfall auf die Ukraine verschärften sich in Russland die Mediengesetze. Ein letzter Vorstoß im Kampf gegen die Meinungs- und Pressefreiheit.

Wer über die Ukraine berichtet, darf statt Krieg nur noch von einer „Spezial-Militäroperation“ sprechen. Regimekritik ist sowieso tabu. Wer sich nicht daran hält, muss zahlen und landet im schlimmsten Fall sogar im Gefängnis.

„Für uns hieß es entweder ins Gefängnis zu gehen oder aus Russland zu fliehen und im Exil zu arbeiten. Wir hatten praktisch keine Wahl“, sagt Gubsky. Im Juli 2024 klassifizierte der Kreml die Zeitung als „unerwünschte Organisation“. Davor wurden die Mitarbeiter:innen schon auf die Liste der „ausländischen Agenten“ gesetzt. Also übersetzt: Feinde des Kremls und damit unerwünscht. Jede Art von Zusammenarbeit oder Spende an sie ist eine Straftat. Nicht einmal mehr für Umfragen können sie die Menschen auf der Straße interviewen.

Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.

Der Standortwechsel nach Amsterdam veränderte die Moscow Times zusätzlich. Erreichte sie davor ein überwiegend englischsprachiges Publikum, ging es jetzt auch darum, russischsprachige Leser:innen über die Realitäten in der Ukraine zu informieren und Putins Propaganda entgegenzuwirken.

Heute zählt ihr russischsprachiger Telegram-Kanal über 107.000 Abonnent:innen und ist damit der zweitgrößte Kanal eines unabhängigen russischen Mediums. Finanziell ist es ein Bangen: Ein Viertel des Budgets kommt aus eigenen Einnahmen und Spenden, der Rest von internationalen Stiftungen und Unternehmen.

In ihren Beiträgen zitieren die Moscow Times oft Insider aus dem Kreml. Ihre ausführliche Berichterstattung über die ethnischen Minderheiten in Russland setzt sie von anderen Medien ab. Etwas, worauf die Redaktion stolz ist.

Putins........

© Wiener Zeitung