Der Fall Gelbhaar und die realen Machtverhältnisse
In Deutschland hat ein #metoo-Fall in den letzten Wochen viel Aufmerksamkeit erregt, über den in Österreich kaum berichtet wurde. Verständlich: Wir haben fürwahr gerade andere innenpolitische Probleme. Überhaupt passiert gerade so viel Schreckliches auf der Welt und das mit einer derartigen Geschwindigkeit, dass es fast absurd anmutet, sich im gegenwärtigen Moment einem vergleichsweise trivial erscheinenden Skandal zu widmen.
Ich würde allerdings argumentieren: Trivial ist am Fall Gelbhaar gar nichts. Er schlägt nämlich in eine Kerbe im Zeitgeist, die von internationalen Entwicklungen bereits vorbereitet wurde: das Ende von #metoo.
Falls du nicht mitgekriegt hast, was überhaupt passiert ist, hier eine kurze Zusammenfassung:
Kurz vor der Listenerstellung der Berliner Landesliste zur Bundestagswahl letzten Dezember (du erinnerst dich, im Februar sind in Deutschland Wahlen) wurden gegen den grünen Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar Vorwürfe wegen sexueller Belästigung erhoben. Eine Parteikollegin brachte sie vor – angeblich im Namen gleich mehrerer Betroffener. In Folge landeten über ein Dutzend Anschuldigungen bei der Ombudsstelle der Partei. Der öffentlich-rechtliche RBB machte diese daraufhin publik. Gelbhaar wies immer alle Anschuldigungen zurück, zog allerdings seine Kandidatur für die Landesliste zurück und sein Versuch, sich ein Direktmandat in Berlin zu sichern, scheiterte.
Nun zeigten Recherchen, dass zumindest ein Teil der Anschuldigungen, insbesondere die schwerwiegendste, erfunden war. Die Parteikollegin, die behauptete, im Namen Betroffener zu sprechen, hat diese offenbar frei erfunden. Und mit „diese“ sind sowohl Vorwürfe als auch Betroffene gemeint: Manche der Personen gibt es nämlich gar nicht. Eidesstattliche Erklärungen wurden gefälscht, beispielsweise jene von Anne K., die Gelbhaar vorwarf, sie gegen ihren Willen geküsst zu haben. Letztendlich stellte sich heraus: Nicht nur hat die Belästigung von Anne K. nie stattgefunden, auch Anne K. gibt es nicht.
Der RBB hat also schwerwiegende journalistische Fehler in seiner Berichterstattung gemacht, indem er weder die Beschuldigungen überprüfte noch ob die vermeintlichen Opfer überhaupt existieren. Er hat in der Zwischenzeit eine Entschuldigung veröffentlicht. Die grüne Bezirkspolitikerin Shirin Kreße, die laut mehreren Medienberichten mutmaßlich hinter den erfundenen Beschuldigungen steht, hat daraufhin ihre Ämter niedergelegt und ist aus der Partei ausgetreten. Warum die Beschuldigungen gegen Stefan Gelbhaar erhoben wurden, ist nicht bekannt. Was sich aber........
© Wiener Zeitung
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