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Politik Backstage: „Das entscheidet allein der Meister“

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08.02.2025

Es ist erst ein paar Wochen her, da brach bei den Schwarz-Türkisen Euphorie aus: „Die wollen unbedingt.“ Nach wochenlangen zähen Gesprächen im Stop-and-Go-Modus witterte die Truppe um den eben erst zum Parteichef nominierten ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker Morgenluft: Das mit Blau-Schwarz könnte nach dem Scheitern von Türkis-Rot-Pink und Türkis-Rot rasch etwas werden.

Nach einem erfolgreichen Blitzstart in Sachen akute Budgetsanierung machte sich dann in der letzten Jännerwoche jedoch zunehmend schlechte Stimmung breit. Die Euphoriker von einst widerrufen ihre Prognosen und revidieren ihre Wettquoten. Statt 90 zu zehn setzen sie nur noch 50 zu 50 auf das Gelingen eines Kabinetts Kickl-Stocker.

Seit Herbert Kickl diesen Dienstag kurz nach halb fünf Uhr Nachmittag den ÖVP-Verhandlern seine blau-schwarze Ministerliste auf den Tisch legte, ist im Regierungsviertel endgültig High-Noon angesagt. Der FPÖ-Chef präsentierte seine Ressort-Aufteilung als ein Angebot, dass man nicht ablehnen könne. „Großzügig“, weil es exklusive Kanzler und Vizekanzler für die ÖVP sechs Ministerjobs, für die FPÖ aber „nur“ fünf vorsieht. Darunter freilich die Schlüsselressorts Finanzen, Inneres sowie die Kompetenzen für EU, Verfassung, Medien und Kultur, gebündelt bei einem FPÖ-Kanzleramtsminister.

Als Kickl das ÖVP-Trio Christian Stocker, August Wöginger und Alexander Pröll damit konfrontierte, interpretierte das der gelernte Anwalt Stocker als taktische Provokation und lehnte den Vorschlag brüsk ab. Kickl setzte darob noch ein paar Nadelstiche nach. Und empörte sich zuvorderst darüber, dass die ÖVP den Blauen als Nummer eins nicht zugestehen wollte, was sie für sich selber als selbstverständlich sah: den Anspruch auf politische Schlüsselministerien wie Finanzen und Innen. Und die zentrale Kompetenz in Sachen EU, die seit dem ersten Einzug von Sebastian Kurz am Ballhausplatz vor nunmehr acht Jahren Regierungschefsache wurde und bis heute ist. Kickl zornmütig: „Sind wir für euch weiter nur eine Partei zweiter Wahl?“

Christian Stocker versuchte gegenüber dem polternden FPÖ-Capo nun seinerseits ein Zeichen der Stärke zu setzen - und beriet sich zwei Stunden nach Ende des gut 30-minütigen Schlagabtausches um die blau-schwarzen Personalia demonstrativ mit seinem Parteivorstand.

Nur noch unverbesserliche Optimisten gaben danach die Parole aus: Dass es mit den Blauen nicht einfach wird, war von Anfang klar. Aber noch stehen die Chancen weiterhin 50:50, dass Herbert Kickl und Christian Stocker demnächst gemeinsam in der Hofburg zur Angelobung antanzen.

Eine Einschätzung, die offenbar auch der geschäftsführende Parteichef teilt. Nach getrennten Aussprachen beim Bundespräsidenten will Stocker nun den Koalitionspoker mit Kickl dort fortsetzen, wo sie bislang im Krach endeten.

Davor ließ Stocker allerdings signalisieren: Das Innenministerium sei für die ÖVP unverzichtbar, ein blauer Finanzminister aber nicht undenkbar. FPÖ-Strategen lasen das freilich so: Erster Treffer versenkt, bitte neu durchladen.

In mehreren Regierungsverhandlungen gestählte Politinsider beginnen so über Blau-Schwarz, je nach Einstellung, das Kreuz zu machen oder sich erleichtert zu bekreuzigen. Nachdem Kickl seine Ministerliste leaken will und nun auch per Facebook-Postings himself kommunikativ begleitet, wird seit Tagen nicht unter vier, acht oder zwölf Augen, sondern auf offener Bühne verhandelt.

„Es ist total skurill. Kickl war schon immer schwer lesbar, jetzt präsentiert er sich als total unberechenbar“, sagt ein teilnehmender ÖVP-Beobachter. „Ich bin mir nicht sicher, ob er selber überhaupt noch regieren will.“

Auch einige FPÖ-Landespolitiker würden das so unter vier Augen ungewöhnlich offen kritisch kommentieren: „Der Herbert kommt offenbar drauf, dass sich ein Teilzeit-Kanzler nicht ausgehen wird.“ In den FPÖ-Bundesländern wird dem blauen Parteichef nachgesagt, sehr viel Wert auf seinen Körper und ein intensives regelmäßiges Trainingprogramm zu legen.

Im Parlament glänzte Kickl als Klubchef in den vergangenen Jahren in der Tat auffällig oft durch Abwesenheit.

Für einen ÖVP-Insider ist allerdings noch offen, ob Kickl mit seinem öffentlichen Personalpoker nur den Boden für ein starkes Verhandlungsfinale hinter den Kulissen aufbereitet.

In der ÖVP verstärkte sich nämlich der Eindruck, dass in den Untergruppen nur deshalb ein bis zuletzt freundliches Klima herrschte, weil die FPÖ-Unterhändler angewiesen gewesen wären, möglichst vieles nach oben zu delegieren. In den Untergruppen-Endpapieren etwa in Sachen Medien und Außenpolitik ist tatsächlich unerwartet vieles auf „Rot“ (=Dissens) gestellt.

Das habe, so ein teilnehmender Beobachter, zwei Gründe. „Kickl fürchtet, dass sich seine Leute wie bei Kurz-Strache von Anfang zu sehr mit den ÖVP-Leuten verhabern. Damals haben sich einige Unerfahrene sogar Pressekonferenz-Briefings von ÖVP-PR-Leuten schreiben lassen“. Zum anderen, so ein ÖVP-Verhandler, könnte Kickl die demonstrative Härte in Sachen Personalia dazu nutzen, um damit hinter den Kulissen Zugeständnisse in den vielen offenen Sachfragen abzutauschen.

Ein anderer ÖVP-Verhandler ist sich indes bereits sicher, dass es Kickl darauf anlegt, die Verhandlungen krachend scheitern zu lassen. Und nur noch........

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