USA | Endzeitfaschismus im All: Was denken Peter Thiel, JD Vance und Curtis Yarvin wirklich?
Dass Donald Trump, obwohl er es gern bestreitet, als US-Präsident die Vorgaben des von der Heritage Foundation erstellten „Project 2025“ umsetzt, ist weithin erkannt worden. Die Methoden, derer sich Trump vom ersten Tag an bediente: Umbau der US-Exekutive, massenhafter Austausch ihrer Beamten, Einsatz des US-Militärs zur inländischen Strafverfolgung, wie auch die Ziele, die er verfolgt: Massendeportation von Migrant:innen, Christianisierung der Gesellschaft, Abschaffung von Diversitätsprogrammen, Förderung fossiler Brennstoffe, all das und vieles mehr wurde vorher im 900 Seiten starken „Project“ bis ins Einzelne entworfen, ausgearbeitet, operationalisiert und systematisiert. Nicht zuletzt aus diesem aufwendigen Vorlauf erklärt sich die rasende Geschwindigkeit, mit der Trump die Umwälzung der USA zu gelingen scheint.
Aber das ist nur ein Anfang, ja vielleicht nur ein Vorspiel. Die Voraussicht rechtsextremer Visionäre, die es in den USA zuhauf gibt, reicht über Trumps Horizont und die Agenda der Heritage Foundation weit hinaus. Und es sind nicht bloß Gedankenspiele, was sie planen, vielmehr sind ihre Leute bereits im Machtzentrum der Trump-Regierung platziert. Die Visionäre setzen auf JD Vance, Trumps Vizepräsidenten, der auch tatsächlich die besseren Startchancen hat, wenn es einmal gilt, Trump zu beerben. Und das könnte bald sein: 2028, bei der nächsten Präsidentschaftswahl.
Vance, der in einer Arbeiterfamilie aufwuchs und dort mit Arbeitslosigkeit, Sozialhilfe, Scheidung der Eltern, Alkoholismus, Drogenkonsum und häuslicher Gewalt Bekanntschaft machte, verdankt seine ganze politische, zuvor auch ökonomische Karriere dem Multimilliardär Peter Thiel, einer Schlüsselfigur des Silicon Valley. Thiel, von dem Vance sagt, er erscheine ihm als „der vielleicht klügste Mensch“, dem er je begegnet sei, und Elon Musk gründeten einst den Online-Bezahldienst Paypal. In Trumps ersten Präsidentschaftswahlkampf hatte Thiel noch kräftig investiert, im zweiten überließ er das anderen, da dachte er selbst schon weiter, an 2028. Da investierte er nur noch in Vance.
Thiels Gedanken sind der Ausgangspunkt einer antidemokratischen politischen Philosophie, die schon 2007 und 2008 – das waren die Jahre der letzten Weltwirtschafts- und Weltfinanzkrise – von Curtis Yarvin, einem Blogger und Software-Entwickler, zur später von dem Philosophen Nick Land so genannten „dunklen Aufklärung“ ausgearbeitet wurden. Auch in Yarvins Start-up-Unternehmen Tlon hatte Thiel investiert. JD Vance nennt Yarvin seinen Freund und sagt, er sei von dessen Ansichten stark beeinflusst. Yarvin wiederum sagt, er könne sich Vance als „König von Amerika“ vorstellen. Er sagte das in einem Interview mit der New York Times, woran man ermessen kann, dass Leute wie er in den USA durchaus nicht als Spinner gelten.
Dabei ist der Ausdruck „König“ noch untertrieben, denn Könige, wie wir sie aus der europäischen Geschichte kennen, regierten stets zusammen mit Beraterkreisen, aus denen im Lauf der Zeit die Parlamente hervorgingen. Aus der Königsherrschaft wurde die „konstitutionelle“ Monarchie, ja zuletzt eine Figur wie Charles III. in Großbritannien, der nur noch Repräsentationsaufgaben wahrnimmt. Yarvin will es andersherum: Der Herrscher soll ein völlig unbeschränkter Diktator sein, wahrlich wie Stalin in der einstigen Sowjetunion. Er selbst sagt: wie, nein, als der CEO eines Unternehmens. Der Staat insgesamt soll in eine private Aktiengesellschaft umgewandelt werden.
Die Regierten ihrerseits hätten insofern so viel „Freiheit“ wie der CEO, als jeder völlig auf sich gestellt wäre, mit Siegen und Niederlagen ganz aus eigener Kraft und Ohnmacht, ohne dass so etwas wie ein Gemeinwesen ihm dreinredete. Gerade dieser Gedanke ist Peter Thiel so wichtig, dass er und seine Gesinnungsfreunde über künstliche Inseln im Ozean nachdenken, auf denen sie, jeder für sich, tun und lassen können, was sie wollen.
Aber nicht nur Freie soll es geben, sondern für die „ghetto blacks“, wie Yarvin sie mit rassistischer Verachtung bezeichnet – gemeint sind Schwarze Menschen in sozial benachteiligten Stadtteilen –, will er die Sklaverei wieder eingeführt sehen.
Das alles könne nur durchgesetzt werden, wenn, so Yarvin, zuvor die etablierten Universitäten und Massenmedien entmachtet seien: „die Kathedrale“, deren „Brahmanen“ den Menschen diese grundfalschen Werte wie Demokratie und Fortschritt, Gleichheit und Gerechtigkeit eingeimpft hätten. Die Entmachtung müsse total sein und mit einem Schlag erfolgen, wie beim „hard reset“, sagt er, eines Computers. Das wäre in der Tat das Gegenteil des Programms der europäischen Aufklärung, „dunkle“ Aufklärung eben statt des „enlightenment“, der Erleuchtung und Helle des Lichts, wie Aufklärung auf Englisch heißt. Um mit Adrian Leverkühn, einer Figur aus Thomas Manns Roman Doktor Faustus zu sprechen: Die neunte Symphonie (von Beethoven) würde zurückgenommen.
Mit dem Namen Leverkühn, Lebenskühnheit, hatte Thomas Mann auf Friedrich Nietzsche angespielt. © der Freitag





















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